Die Fachschaft
"Lehrer*in ist man nie; man wird es lebenslang."
Ziele Ihrer pädagogischen Ausbildung im Referendariat
In den meisten Pädagogikgruppen sitzen wie in einem Kollegium Referendar*innen mit unterschiedlichen Fächern zusammen.
Schulische Heterogenität wird somit in der Gruppe selbst erfahrbar und der interdisziplinäre Austausch über
fachübergreifende Themen und Problemstellungen wird angeregt. Gerade in der Pädagogik richtet sich der Blick dabei immer wieder
auf das Wohl der an der Schulgemeinschaft beteiligten Menschen. Das sind die Schüler*innen und ihre Eltern, die Kolleg*innen und Sie
selbst, zum Beispiel mit Ihrer Arbeitszufriedenheit. Daher ist es neben dem Fachlichen und Methodischen unser besonderes Ziel, Sie bei der
Weiterentwicklung Ihrer persönlichen, sozialen und kommunikativen Kompetenzen zu unterstützen. Dazu gehört wesentlich Ihre
Resonanzfähigkeit, fremde und eigene Stärken und Bedürfnisse wahrnehmen und rückmelden zu können.
Als Lehrer*in sollen Sie Ihre Schüler*innen gemäß dem klassischen Ziel von Bildung „in der Entfaltung und Stärkung ihrer gesamten Person fördern – so, dass sie am Ende das Subjekt dieses Vorgangs sind“ (H.v.Hentig, Einführung in den Bildungsplan 2004).
Pädagogik hat damit eine ethische Dimension, indem sie Werte und Normen vermittelt, die für ein demokratisches Zusammenleben notwendig sind: Respekt vor anderen Meinungen, das Streben nach Kompromissen und die Fähigkeit, Konflikte friedlich zu lösen.
Doch sind Sie auch für die Erfüllung gesellschaftlicher und institutioneller Bedürfnisse verantwortlich, die mit dem originär pädagogisch begründeten Bildungsauftrag und der pädagogischen Legitimation von Schule in Spannung geraten können (so bereits Humboldt 1809). Sie bekommen Führungsaufgaben, Sie müssen sich innerhalb des Kollegiums positionieren, Sie sollen junge Menschen erziehen und Entscheidungen über ihren weiteren Bildungsgang treffen. Auch genuin gesellschaftlich-ökonomische Interessen werden verstärkt an das allgemeinbildende Schulwesen herangetragen (Krautz 2010). Im Vorwort des Bildungsplans 2016, welcher sich in Ergänzung zu dem von 2004 stark auf die systematische Bildung fachspezifischer Kompetenzen hin fokussiert, formuliert der Verfasser Hans Anand Pant pädagogische Aspekte nur indirekt: in den sieben „Leitperspektiven“ und in Anknüpfung an den sogenannten „Beutelsbacher Konsens“ von 1976 (als Prinzipien politischer Bildung: Überwältigungsverbot, Kontroversitätsgebot und Schülerorientierung).
Spannungen, Konflikte und Entscheidungsdilemmata zwischen Werten wie Gerechtigkeit, Fürsorge und Ehrlichkeit (Oser 2007) bleiben im Lehrerdasein nicht aus, weshalb man diesen Beruf wissenschaftlich als „Profession“ (Terhart, 2011) ezeichnet. Nicht einmal die viel gerühmte Konsequenz ist in jedem Fall die passende pädagogische Tugend. Manchmal werden Sie das Gefühl haben, sich bei der Suche nach dem „Richtigen“ auf einem schmalen Grat zu bewegen.
Wenngleich Erfahrung und Routine viel helfen, sind auch Expert*innen vor Misserfolgen nicht gefeit. Aufgrund des wachsenden
Altersabstands zu den Schüler*innen und gesellschaftlicher Entwicklungen mit neuen bildungspolitischen Anforderungen ergeben sich
für jeden Lehrenden immer neue Herausforderungen. Da es also in vielen komplexen Situationen zwar Prinzipien und Strategien, aber
keine festen „Algorithmen“ für Ihr Handeln gibt, hebt die Ausbildungs- und Prüfungsordnung (2015) im ersten
Paragraphen „die hohe Bedeutung der Lehrerpersönlichkeit“ hervor, die „in der Ausbildung ständig
reflektiert“ werden soll.
Was bedeutet für eine „Lehrerpersönlichkeit“ also „Professionalität“? - Viele Lehrerleitbilder
bilden die Antinomien ab, in denen sich Lehrkräfte stets bewegen und mit denen sie individuell einen Umgang finden müssen. Eine
entscheidende Antinomie, die am Seminar im Anschluss an die universitäre Lehrerbildung bearbeitet wird, ist die zwischen Theorie und
Praxis: weil Theorie die Besonderheit des je konkreten Falles gerade nicht zu fassen vermag, jedoch der unreflektierte Praktiker sich als
intuitives Reiz-Reaktion-Wesen gleichwohl nicht als verantwortlich handlungsfähig erweist (Helsper 2002). So geht es in der
seminarspezifischen Lehrerbildung neben der theoretischen Reduktion besonders um die Herausbildung des „pädagogischen
Takts“ (Herbart 1806), also um die Balance zwischen den Anforderungen innovativer evidenzbasierter Erziehungswissenschaft und
klassischer auf das Individuum gerichteter hermeneutischer Pädagogik. Es geht darum, ein „reflektierender Praktiker“
(Lohmann 2003) zu werden und dabei mit der Weiterentwicklung von technisch-instrumentellen Fertigkeiten stets auch die Frage nach deren
pädagogischer Legitimität im Blick zu behalten (Frost 2010). Sich laufend weiterzubilden und bei wachsender Routine dieselbe
bleibend kritisch zu reflektieren sowie gegebenenfalls zu revidieren, sich Rückmeldungen über Erfolg und Misserfolg zu holen und
konstruktiv zu verarbeiten, die Zusammenarbeit mit geeigneten Kolleginnen und Kollegen zu suchen und zu pflegen, weniger geeignete trotzdem
in ihren Stärken anzuerkennen und nicht links liegen zu lassen, sich nötigenfalls Hilfe zu suchen, dies beschreibt in
Stichworten die Haltung, in der wir Sie bestärken wollen.