Demokratie ist kein Selbstläufer, sondern muss wieder und wieder erlernt, gelebt und erfahren werden. Wir als Seminar für Ausbildung und Fortbildung der Lehrkräfte (Gymnasium) Stuttgart wollen auf allen Ebenen unserer Tätigkeiten unseren Beitrag dazu leisten.
1) Zur Notwendigkeit von Demokratiebildung in der Ausbildung von Lehrkräften
Gesellschaft und Demokratie in Deutschland stehen derzeit vor gewaltigen Herausforderungen. Die Pandemie, der Krieg in der Ukraine,
soziale Ungleichheiten und der Klimawandel sind nur einige Aspekte, die verstärkt Polarisierung und Aggressivität im
alltäglichen Umgang miteinander hervorrufen und die zunehmend auch in eine sprachlich-inhaltliche Verrohung münden.
Populismus, Fremdenfeindlichkeit, Rassismus und Antisemitismus fordern die Gesellschaft und damit die Demokratie in Deutschland heraus und
machen auch vor dem Subsystem Schule nicht Halt.
Aktuelle Befunde zu Einstellungen zur Demokratie sowie zu Ursachen von Populismus und menschenverachtenden Verhaltens (s.u.) stellen das gesellschaftliche Subsystem Schule und damit alle am Schulleben Beteiligte vor enorme Herausforderungen: Schüler*innen, Lehrkräfte, Schulleitung, aber auch die Lehrkräfteaus- und fortbildung.
Zur Unterstützung hat das Kultusministerium den Leitfaden „Demokratiebildung. Schule für Demokratie, Demokratie für Schule“ zum Schuljahr 2019/20 verbindlich eingeführt. |
„Demokratie lebt vom Engagement ihrer Bürgerinnen und Bürger, keine andere Herrschaftsform ist so auf Mitwirkung angewiesen und kann nicht früh genug Gegenstand von Bildung und Erziehung sein. Demokratiebildung ist dem Kultusministerium deshalb ein wesentliches Anliegen und integraler Bestandteil schulischer Bildungs- und Erziehungsziele. Zudem erleben Schülerinnen und Schüler Demokratie unmittelbar in schulischer Mitwirkung.
Schule hat die Aufgabe, junge Menschen zu selbstverantwortlichem und demokratischem Handeln in der Gesellschaft zu befähigen. Dazu gehört die Vermittlung von Kenntnissen über politische, historische, gesellschaftliche und wirtschaftliche Strukturen und Entwicklungen. Die Grundlage bilden das Grundgesetz und die Landesverfassung.“
Quelle: https://km-bw.de/Schule/Demokratiebildung
Ausgewiesene Handlungsfelder im Leitfaden Demokratiebildung |
Demokratiebildung wird unter anderem in den Weltethos-Schulen gelebt. An einer Weltethos-Schule lernen Lehrkräfte,
Heranwachsende sowie Eltern mit- und voneinander und wachsen so zu einer Gemeinschaft auf Basis der Weltethos-Werte zusammen. Denn die
Weltethos-Idee bietet ein Dach, unter dem eine von allen mitgetragene, werteorientierte Schulkultur geprägt und gelebt wird.
Programm „Weltethos-Schule“:
https://www.weltethos.org/bildung-und-gesellschaft/weltethos-schulen/
Bildungsangebote „Weltethos":
https://www.weltethos.org/bildung-und-gesellschaft/bildungsangebote/
2) Demokratiebildung als Seminarentwicklungsprozess am SAFL
Allen Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern am Seminar Stuttgart liegt die Demokratiebildung in der Lehrkräfteausbildung und im Seminar
sehr am Herzen.
Die 2019 gegründete Arbeitsgruppe Demokratiebildung ist eine der mitgliederstärksten AGs am Seminar. Sie versteht sich als
Ideen-/Impulsgeberin, um die Demokratiebildung am Seminar in allen Bereichen und Fächern voranzutreiben.
Sie ist offen für alle Mitarbeitenden und Referendar*innen am Seminar.
In der AG Demokratiebildung haben sich drei Arbeitsfelder herauskristallisiert:
- Ausbildung: Wie kann Demokratiebildung in der Ausbildung am Seminar in allen Bereichen integriert/gestärkt werden?
- Praxis einer demokratischen Streit- und Debattenkultur
- Seminar und Schule als Modell für institutionalisierte und gelebte Demokratie
Zentral erscheint uns eine seminarweite vertiefte Auseinandersetzung mit dem ursprünglich aus der politischen Bildung stammenden Beutelsbacher Konsens , dessen Prinzipien mittlerweile in den Bildungsplänen Baden-Württembergs obligatorisch für alle Fächer ausgewiesen wurden:
Quelle: Landeszentrale für politische Bildung, |
Überblick über den bisherigen Entwicklungsprozess Demokratiebildung am Seminar
06/2019 | Gründung der AG Demokratiebildung |
07/2021 | Jahrestagung „Demokratiebildung in einer zunehmend digitalisierten Welt“ |
seit 09/2021 |
Auswertung der Jahrestagung Weiterentwicklung der Aspekte, die den demokratischen Umgang miteinander im Seminar betreffen (Demokratie als Lebensform) |
seit 01/2022 | Umsetzung konkreter Maßnahmen zur Demokratiebildung in der Ausbildung (Kurs 2022/23) |
seit 03/2023 | In Kooperation mit der ZSL-Regionalstelle Stuttgart veranstalten wir jeweils im März ein großes „Barcamp Demokratiebildung“ für Lehrkräfte und Referendar*innen ( buchbar über LFB-Online ) |
Impressionen von der Jahrestagung „Demokratiebildung“ 2021
© Foto: Privat, Klausurtagung "Demokratiebildung" Waldheim Degerloch 2021
große
Ansicht
Ziel war es, die im Vorfeld über eine digitale Beteiligungsplattform erarbeiteten Themengebiete mit Hilfe der World Café-Methode („Demokratie-Café“) zu diskutieren.
Die Thementische in unserem Demokratie-Café |
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große Ansicht |
große Ansicht | |
Unsere Arbeitsplattform, auf der auch die Ergebnisse der einzelnen
Tische festgehalten wurden |
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Die Auswertung der Pädagogischen Jahrestagung ergab ein hohes Maß an Sensibilisierung aller Kolleginnen und Kollegen für
die Notwendigkeit von Demokratiebildung am Seminar. Neben einigen ganz konkreten Ideen zur zum Teil schnellen Umsetzung ergaben sich aber
auch Grundsatzfragen, die es im weiteren Verlauf des Seminarentwicklungsprozesses zu klären gilt:
15 Diskussionspunkte für den Austausch und die Weiterarbeit in den Bereichen und Fachschaften:
(1) Ideen zur Förderung der demokratischen Kultur am Seminar Stuttgart
- Überarbeitung des Seminar-Leitbildes unter der Fragestellung der Demokratiebildung
- Reflexion über Sprachgebrauch (z.B. gendergerechte Sprache)
- Reflexion über stärkere Mitspracherechte der Referendar*innen (stärkere Öffnung von Arbeitskreisen)
- Wahl von Kurssprecher*innen in allen Kursen
- Ausbau digitaler Mitbestimmungselemente
- Kollegiale Sprachregelung am Seminar Stuttgart: „Du“
(2) Ideen zur institutionellen Verankerung der Demokratiebildung am Seminar Stuttgart
- Überreichung des Leitfadens Demokratiebildung und des Grundgesetzes/der Landesverfassung BW bei der Vereidigung der Referendar*innen
- Ausweitung des bisher etablierten BNE-Tag zum „Zukunftstag“ mit Angeboten aus dem Bereich der Demokratiebildung
- Preis für herausragende DOKUs mit thematischem Schwerpunkt Demokratiebildung (alle Fächer)
- Fortbildungsangebote für Kolleginnen und Kollegen zu Themen der Demokratiebildung
- Nutzung der Expertise innerhalb des Kollegiums zur gegenseitigen Professionalisierung
- Schaffung einer Anlaufstelle zur Thematisierung von Diskriminierungserfahrungen
(3) Ideen zur Demokratiebildung als Inhalt in den Fachsitzungen
- Demokratie lebt von Bürgerinnen und Bürgern, die kritisch denken und informierte Entscheidungen treffen. Die Pädagogik und die Fachdidaktiken fördert diese Fähigkeiten, indem sie ermutigt, Fragen zu stellen, Meinungen zu hinterfragen und eigenständig zu denken. Durch partizipative und kooperative Lehrmethoden, wie z.B. Diskussionen, Projektarbeit und T-P-S unterstützen wir aktiv, eigenen Standpunkte zu entwickeln und zu vertreten.
- Reflexion von Sprachgebrauch und Sprachregister in den Fächern: Diskurskultur, Reflexion über Manipulation durch Sprache, sprachliche Analyse von Lehr- und Lernmaterialien
- Kooperation zwischen Fachdidaktik und Pädagogik
- Verzahnung von Medienbildung und Demokratiebildung
Die AG Demokratiebildung am Seminar Stuttgart freut sich über interessierte Referendar*innen und Kolleg*innen.
Kontakt: Simone Bub-Kalb
Studien konkret:
Achour, Sabine/Wagner, Susanne: Wer hat, dem wird gegeben: Politische Bildung an Schulen. Berlin 2019 PDF
Decker, Oliver/Brähler, Elmar (Hg.): Autoritäre Dynamiken in unsicheren Zeiten. Neue Herausforderungen - alte Reaktionen? Leipzig 2022 PDF
Jugendstudie Baden-Württemberg 2022 im Auftrag von KM BW, durchgeführt von Universität Stuttgart. PDF